Wenn die Tage kürzer und die Temperaturen frostiger werden, beginnt in Norddeutschland die fünfte Jahreszeit: die Grünkohlsaison. Im Mittelpunkt steht ein Gericht, das wie kein anderes für deftigen Wintergenuss und gesellige Tradition steht: Grünkohl mit Pinkel und Kartoffeln.

Vom Arme-Leute-Essen zum Kultgericht: Die Geschichte von Grünkohl und Pinkel
Die Geschichte des Grünkohls ist älter als man denkt. Ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammend, fand der robuste Kohl bereits vor Jahrhunderten seinen Weg nach Norddeutschland. Schon im 16. Jahrhundert wurde er hier angebaut, da er widerstandsfähig gegen das kalte Küstenwetter ist und auch bei Frost auf den Feldern bleiben kann. Dies machte ihn zu einer unverzichtbaren Vitaminquelle in den langen, kargen Wintermonaten.
Die Pinkelwurst, eine geräucherte Grützwurst, ist das Herzstück des Gerichts in den Regionen um Oldenburg und Bremen. Ihr Name leitet sich vom Rindermastdarm ab, der früher als Wursthülle diente und im Plattdeutschen als „Pinkel“ bezeichnet wird. Ursprünglich war Grünkohl und Pinkel ein einfaches, aber sehr nahrhaftes Essen der bäuerlichen Bevölkerung, das Kraft für die harte Arbeit spendete. Über die Jahrhunderte entwickelte es sich von einer reinen Sättigungsbeilage zu einem echten Traditionsgericht, das heute den gesellschaftlichen Mittelpunkt des norddeutschen Winters darstellt.
Rezept: Die perfekte Zubereitung von Grünkohl mit Pinkel und Kartoffeln
Ein authentisches Grünkohlessen braucht Zeit und die richtigen Zutaten. Mit diesem Rezept gelingt der norddeutsche Klassiker garantiert.
Zutaten:
- 1 kg frischer oder tiefgekühlter Grünkohl
- 4 Pinkelwürste
- Optional: Kassler, Kochwurst oder durchwachsener Speck
- 2 große Zwiebeln
- 2 EL Schweine- oder Gänseschmalz
- 300 ml Gemüse- oder Fleischbrühe
- 1 EL Senf, mittelscharf
- Salz, Pfeffer und eine Prise Zucker
- 800 g festkochende Kartoffeln (als Salz- oder Bratkartoffeln)
Anleitung Schritt für Schritt:
- Vorbereitung: Frischen Grünkohl gründlich waschen, die dicken Stiele entfernen und die Blätter grob hacken. Zwiebeln schälen und fein würfeln.
- Anbraten: Das Schmalz in einem großen Topf erhitzen und die Zwiebelwürfel darin glasig andünsten. Den Grünkohl hinzufügen und kurz mitdünsten, bis er etwas zusammenfällt.
- Schmoren: Mit der Brühe ablöschen und den Senf einrühren. Mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker würzen. Alles zugedeckt bei niedriger Hitze für mindestens 90 Minuten schmoren lassen. Ein Tipp aus Omas Küche: Am besten schmeckt der Grünkohl, wenn er am Vortag zubereitet wird und über Nacht durchziehen kann.
- Fleisch und Würste garen: Je nach Vorliebe Kassler oder Speck zum Grünkohl geben und mitgaren. Die Pinkelwürste und eventuelle Kochwürste in den letzten 20-30 Minuten auf den Kohl legen und nur noch ziehen lassen, nicht mehr kochen.
- Kartoffeln zubereiten: Während der Grünkohl schmort, die Kartoffeln als Salz- oder karamellisierte Bratkartoffeln zubereiten.
- Abschmecken und Servieren: Den fertigen Grünkohl nochmals abschmecken und zusammen mit den Würsten, dem Fleisch und den Kartoffeln servieren.

Mehr als nur ein Essen: Die Tradition der Kohlfahrten
In Norddeutschland ist Grünkohl und Pinkel untrennbar mit einem sozialen Ereignis verbunden: der Kohlfahrt, auch „norddeutscher Karneval“ genannt. Freundesgruppen, Vereine und Firmen treffen sich zu einem winterlichen Spaziergang, der oft von kleinen Spielen und wärmenden Getränken begleitet wird. Ziel der Tour ist eine Gaststätte, in der das gemeinsame Grünkohlessen den Höhepunkt darstellt. Gekrönt wird der Tag traditionell mit der Wahl des Kohlkönigs oder der Kohlkönigin.
Grünkohlzeit ist Weihnachtsmarktzeit
Die Grünkohlsaison beginnt meist im November – genau dann, wenn auch die ersten Weihnachtsmärkte ihre Tore öffnen. Warum nicht einen winterlichen Spaziergang mit einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt verbinden und sich danach mit einem Teller Grünkohl stärken? Viele norddeutsche Weihnachtsmärkte bieten mittlerweile regionale Spezialitäten wie Grünkohl mit Pinkel und Kartoffeln an – eine ideale Gelegenheit, die norddeutsche Küche kennenzulernen.
Mehr als ein Gericht – ein Stück norddeutscher Identität
Grünkohl und Pinkel sind weit mehr als nur ein Essen für kalte Tage. Sie sind Symbol für Gemütlichkeit, Tradition und Gemeinschaft. Wer sich im Winter etwas Gutes tun möchte – kulinarisch wie gesellig –, kommt an diesem Klassiker nicht vorbei. Ob zu Hause, beim Grünkohlessen mit Freunden oder als Highlight nach dem Bummel über den Weihnachtsmarkt: Dieses Gericht wärmt Körper und Seele gleichermaßen.